Geheimratsecken, Glatze, kahler Hinterkopf: typisch erblicher Haarausfall bei Männern. Auch Frauen sind betroffen. Die gute Nachricht: Es gibt etliche Therapien.
Bei der androgenetischen Alopezie (Abkürzung AGA) reagieren Haarfollikel empfindlich auf das Hormon Dihydrotestosteron (Abkürzung DHT), das natürlicherweise durch ein Enzym aus Testosteron gebildet wird, und zwar sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Die Folge der DHT-Empfindlichkeit: Haarfollikel verschwinden nach und nach, sodass ausfallende Haare nicht mehr nachwachsen. Männer bekommen dann die typischen Halb- und Vollglatzen. Bei Frauen ist der Haarausfall nicht ganz so extrem. Bei ihnen lichtet sich meist der Bereich um den Mittelscheitel.
Diese Überempfindlichkeit der Haarfollikel ist bei AGA genetisch bedingt – und wird daher vererbt. Das ist zumindest bei Männern nachgewiesen, jeder zweite Mann hat eine AGA. Bei Frauen gibt es noch kaum entsprechende Studiendaten, aber auch bei ihnen liegt eine Vererbung nahe.
Inzwischen weiß man: Mehrere Gene sind an AGA beteiligt, vor allem aber ein Gen auf dem weiblichen X-Chromosom. Dieses Gen sorgt dafür, dass ein Rezeptor für DHT gebildet wird. Der Rezeptor fungiert als eine Art Schlüsselloch, das Hormon als passender Schlüssel. Kommen beide zusammen, entfaltet das Hormon DHT seine Wirkung.
Dieser Vorgang ist an sich natürlich und auch wichtig für normale Körperfunktionen. Bei der AGA ist es aber vermutlich so, dass entweder zu viele Rezeptoren an den Haarfollikeln gebildet werden, oder aber dass es zu viel Testosteron-umwandelndes Enzym und damit zu viel DHT lokal an den Haarfollikeln gibt. An den genauen Ursachen der AGA wird weiter geforscht.
Etwa jede dritte Frau hat eine AGA. Frauen sind deshalb offenbar ebenfalls betroffen, weil auch ihre Körper natürlicherweise geringe Konzentrationen des eigentlich männlichen Sexualhormons Testosteron und seines Abkömmlings DHT bilden. Außerdem haben Frauen zwei X-Chromosomen, eins vom Vater und eins von der Mutter und damit zumindest theoretisch ein doppeltes Risiko, die Neigung zu AGA entweder über den Vater oder der Mutter zu erben, oder von beiden. Männer erben ein X-Chromosom von der Mutter und ihr Y-Chromosom vom Vater.
Erblich bedingter Haarausfall verursacht typische Haarausfall-Muster: Bei Männern sind vor allem die Bereiche Stirn sowie Ober- und Hinterkopf betroffen. Daher sieht man bei ihnen vor allem Geheimratsecken, Stirnglatzen, kahle Stellen am Hinterkopf – und schließlich die typischen Vollglatzen mit einem kleinen Ring verbliebener Haare.
Anders sieht es bei Frauen aus: Bei ihnen wird allgemein das Haar weniger, aber vor allem lichtet sich der Bereich um den Mittelscheitel. Schütteres Haar mit Sichtbarkeit der Kopfhaut ist die Folge, bis hin zum unbehaarten Mittelbereich.
Wann beginnt der Haarausfall bei AGA? Oft fallen bei AGA erst in den mittleren bis späteren Lebensjahren die Haare aus. Aber auch junge Männer und Frauen können betroffen sein.
Bei den Frauen sind das etwa 12 % der 30-Jährigen. Bei Frauen ab 70 haben dann 30 bis 40 % mehr oder weniger starken Haarausfall. Altersentsprechend haben Frauen in und nach den Wechseljahren weniger weibliche Sexualhormone (unter anderen Östrogene), die die Wirkung von Testosteron und Co. reduzieren. Ein Mangel an weiblichen Hormonen kann auch bei jungen Frauen vorkommen, zum Beispiel bei bestimmten Eierstock-Erkrankungen wie dem Polyzystischen Ovarialsyndrom.
Bei AGA gibt es Wirkstoffe, die in Studien ihre Wirksamkeit bewiesen haben. Das sind Minoxidil für Männer und Frauen sowie Finasterid für Männer. Außerdem gibt es weitere Wirkstoffe und Therapien, für die es aber bislang noch keine Zulassung zur AGA-Therapie gibt bzw. für die noch keine größeren Wirksamkeitsstudien vorliegen.
Sowohl für Frauen als auch für Männer ist Minoxidil zur lokalen Behandlung der Kopfhaut bei AGA zugelassen. Wie genau der Wirkstoff das Wiederwachsen der Haare fördert, ist noch nicht wirklich bekannt. Wissenschaftler meinen, dass die Durchblutung rund um die Haarfollikel zunimmt, was das Haarwachstum fördert. Vermutlich gibt es aber auch noch andere Wirkmechanismen.
Das muss man wissen:
Zur Behandlung bei AGA wird das Minoxidil-Präparat ein- bis zweimal täglich – je nach Anwendungsbeschreibung – auf die trockenen, betroffenen Stellen der Kopfhaut aufgetragen und einmassiert.
Finasterid senkt den DHT-Spiegel im Blut. Das Medikament wird eingenommen und hauptsächlich bei gutartiger Prostatavergrößerung verordnet. Der Wirkstoff reduziert aber auch die DHT-Konzentration in der Kopfhaut. Das stoppt das Fortschreiten der AGA und fördert das Neuwachstum der Haare. Finasterid ist deshalb für die Behandlung von Männern mit AGA zugelassen in der Dosierung von 1 mg einmal täglich.
Das muss man wissen:
Zu weiteren Behandlungen für Menschen mit AGA wird viel geforscht, vor allem in Richtung Schutz der Haarfollikel vor DHT. Zu etlichen untersuchten Wirkstoffen und Therapien gibt es Daten, häufig aber noch zu wenige.
Östrogene: Theoretisch wäre die Einnahme von Östrogenen eine wirksame Therapie gegen AGA, da sie die Wirkung von männlichen Sexualhormonen und ihren Abkömmlingen wie DHT mindern. In der Praxis bzw. in Studien hat sich aber gezeigt, dass Frauen mit normalen Hormonfunktionen nicht profitieren, das heißt, die AGA wurde nicht beeinflusst. Das trifft auch auf Frauen in und nach den Wechseljahren zu, obwohl bei ihnen die Östrogenspiegel ja natürlicherweise sinken. Weil generell eine Hormonersatz-Therapie in den Wechseljahren weiter umstritten ist, wurde dieser Weg wieder verlassen. Ausnahmen sind jüngere Frauen mit hormoneller Dysregulation.
Mesotherapie: Bei dieser Therapieform spritzen Ärzte bei Haarausfall winzige Mengen von Lösungen mit verschiedenen Wirkstoffe direkt in die betroffenen Areale der Kopfhaut. Solche Lösungen enthalten zum Beispiel Antioxidantien und Vitamine wie Biotin, Dexpanthenol, Hyaluron, Vitamin C und andere und natürliche Hormonhemmer wie Eisengluconat und Sägepalmenextrakt. Üblich sind zunächst sechs Behandlungen im Wochenabstand, danach drei weitere alle zwei Wochen. Die Erhaltungstherapie kann dann einmal pro Monat erfolgen, wie Dr. Britta Knoll in ihrem Beitrag zu Mesotherapie berichtet. Krankenkassen übernehmen die Kosten in der Regel von Krankenkassen nicht.
Auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Mesotherapie kann nach Therapeuten in der Nähe gesucht werden, die diese Behandlung anbieten.
Dutasterid: Dieser Wirkstoff ist wie Finasterid ein „Männer-Medikament“. Man hat sich aber überlegt, dass Einspritzungen geringer Mengen des Wirkstoffs in die von AGA betroffenen Kopfhaut-Stellen lokal zu einer DHT-Minderung führen könnten. So würden die Haarfollikel geschützt, ohne dass mit Nebenwirkungen auf den ganzen Körper zu rechnen sei (wie etwa bei einer Tabletteneinnahme). Diese intradermale Injektionstherapie hatte nicht nur in kleineren Studien bei Männern, sondern auch in einer Studie bei Frauen mit AGA positive Ergebnisse ergeben.
Haartransplantationen: Diese werden auch bei AGA angeboten und gemacht.
Außerdem erforschen Wissenschaftler weitere Therapien, etwa zu
Fazit
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Gabriele Wagner, Redaktion health & hair
Basierend auf:
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