Dies ist die Geschichte von Marion*. Marion ist 64 und sehr krank. Die Ärzte machen ihr wenig Hoffnung auf Heilung. Dennoch sagt Marion voller Überzeugung: „Ich bin glücklich, denn durch eine Fügung hat mein Leben einen neuen Sinn bekommen.“ Lesen Sie, wie es dazu kam, wie kleine Lebewesen einem großen Lebewesen so viel Glück bescheren können. Wir haben uns entschlossen, Marion selbst erzählen zu lassen.
Die Zahl 24 begleitet mich schon mein ganzes Leben lang. Am 24. Juni feiere ich meinen Geburtstag, genau ein halbes Jahr vor und nach unserem Herrn Jesus Christus. Geheiratet habe ich vor vielen Jahren an einem 24. März und alleine bin ich jetzt seit genau 24 Monaten. Leider habe ich auch an einem 24sten, genauer am 24. April 2018, eine schicksalhafte Diagnose erhalten: Brustkrebs – ein Schock! Auch, wenn mein Arzt versuchte, mir dies so behutsam wie möglich mitzuteilen, konnte ich meine Tränen nicht zurückhalten und nur zitternd fragen: Wie lange noch? Sekunden später folgte der zweite Schock: Drei, maximal sechs Monate, lautete die Antwort. Wie in Trance fuhr ich nach Hause. Ich glaube, ein Unfall wäre mir nicht einmal ungelegen gekommen. Keine Ahnung wie, doch ich erreichte mein Zuhause unbeschadet.
Nach einigem Überlegen und vielen Gesprächen mit meinem Onkologen habe ich mich gegen eine Chemotherapie entschieden. Wenn die Diagnose nicht so niederschmetternd ist, sind Zytostatika sicher sinnvoll. Mit einer typgerechten Perücke muss das noch nicht einmal jemand merken. Aber in meinem Fall: Was nützt mir eine Lebensverlängerung um vielleicht zwei Wochen, die darüber hinaus noch nicht einmal sicher ist? Viel wünschenswerter erscheint mir, in der verbleibenden Zeit lange aufgeschobene Telefongespräche zu führen und mich von lieben Menschen zu verabschieden. Ich lebe alleine in einer Kleinstadt bei Berlin, meine Tochter wohnt etwa 500 Kilometer entfernt und besucht mich nur selten. Wenn ich sie brauche, so versichert sie mir bei jedem Telefonat, wird sie jedoch für mich da sein.
Wer rechnen kann, wird spätestens an dieser Stelle stutzig: Es sind seit der Diagnose bereits acht Monate ins Land gegangen. Ich bin zwar nicht fit, komme aber immer noch alleine zurecht und freue mich auf das Weihnachtsfest. Wie kann das sein? Alles fing an meinem Geburtstag an:
Klopfte da etwas an mein Fenster? Und kurz darauf erneut: Tock-tock! Nichts zu sehen. Dann eine halbe Stunde nichts – und dann wieder das Tock-tock! Da saß doch tatsächlich ein kleiner, bunter Vogel vor meinem Fenster und schaute keck herein. Ich hatte gerade noch Zeit genug, ihn mir genauer anzuschauen – und schon flog er wieder weg. Niemanden wird überraschen, dass es nur Minuten dauerte, bis er wieder auf der Fensterbank hockte. Es sah so niedlich auch, wie er das Köpfchen drehte. Irgendwie jedoch hatte sich das Aussehen leicht verändert. Die Pfirsichfärbung der Wangen war eben doch noch intensiver, oder nicht? Vor dem nächsten Tock-tock öffnete ich das Fenster und das Tierchen flog ohne Scheu herein und setzte sich auf die Schrankwand.
Wie groß aber war meine Überraschung, als sich binnen Sekunden ein Artgenosse hinzugesellte! Sofort schmiegten sich die beiden aneinander. Der Anblick rührte mich umso mehr, da mir die beiden offensichtlich ein Geburtstagsgeschenk machen wollten. Sie ließen sich sogar von mir kraulen. Ich war sprachlos! Wem gehörten die zwei? Und warum hatten sie ausgerechnet an mein Fenster geklopft? Ich sollte es nie herausfinden. Alle meine Nachfragen in der Nachbarschaft blieben erfolglos. Und so beschloss ich, die Kerlchen zu adoptieren. In Erinnerung an meine liebe Mutter nannte ich sie Jo & Sefa.
Mittlerweile habe ich alles über die süßen Zwergpapageien gelernt. Sie sind unter mehreren Namen bekannt, darunter Agapornis, Lovebirds und Liebesvögel. Wegen ihrer lebenslangen Paarbindung heißen sie im Deutschen auch „Unzertrennliche“, was mir sogar noch besser gefällt. Ihre ursprüngliche Heimat ist Afrika. Erkennbar sind sie an den weißen Augenrändern, ihr Gefieder kann jedoch die unterschiedlichste Färbung haben. Die mir zugeflogene Art trägt die charmante Bezeichnung Pfirsichköpfchen. Ich bin jedes Mal zu Tränen gerührt, wenn Jo & Sefa wie Liebende miteinander kuscheln. Und: Die Harmonie, die sie dabei ausstrahlen, tut mir so gut, dass ich meinen Zustand oft vergesse und wieder neuen Lebensmut schöpfe.
Im Internet fand ich heraus, dass die Tiere wie Großsittiche, also wie zum Beispiel die beliebten Nymphensittiche, mit Körnern, Sämereien und Grünzeug gefüttert werden sollen. Jo & Sefa freuen sich ganz besonders, wenn ich ihnen Obst anbiete. Und da machen sie ihrem Artennamen alle Ehre: Neben Äpfeln und Aprikosen sind Pfirsiche die absoluten Favoriten auf ihrem Speiseplan. Besonders viel Spaß haben wir drei, wenn die Vögel kleinere Früchte erst mal eine Weile vor sich her rollen, bevor sie die Kügelchen aufpicken.
Sie können sich sicher vorstellen, wie glücklich mich solche Momente machen. Und weil das so ist, stelle ich in diesem Jahr einen ganz besonderen Tannenbaum auf. Dafür werde ich Weintrauben, Himbeeren und Heidelbeeren aufspießen und einen Marzipanstern auf die Spitze setzen. Für letzteren werden sich die Vögel nicht interessieren, der ist für mich. Die Früchte allerdings sind mein Weihnachtsgeschenk – mein Weihnachtsgeschenk an das Liebste, das ich habe, an meine Clowns, die mir täglich so viel Freude machen, an meine allerbesten Freunde!
Sie suchen noch ein Rezept für die letzte Minute? Eines, für das Sie keinen Backofen brauchen? In unserem Beitrag Wiener Schnee: „Weiße Weihnacht“ garantiert! lernen Sie eine ganz besondere Köstlichkeit kennen.
* Name von der Redaktion geändert, die Patientin möchte unerkannt bleiben.
Einsatz von Cookies
Wir verwenden Cookies, damit Sie weiterhin den gewohnten Lofty-Service nutzen können. Detaillierte Informationen und wie Sie Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen können, erhalten Sie in unserer Datenschutzbestimmung.